Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
14.09.2003

Flughafenimmobilien: Büroraum am Rollfeld

Hotels, Läden, Logistikhallen - immer mehr Flughäfen entwickeln sich in neue Geschäftszentren.

Frankfurt. Mit deutlichem Missfallen beobachtet Peter Lehmann zwei Werbeflieger, die am Himmel einen Formationsflug zeigen. "Wir sind hier kein Juxplatz", sagt der Geschäftsführer der Hessischen Flugplatz GmbH Egelsbach. Seit der Jurist vor acht Jahren deren Leitung übernahm, hat er sich ehrgeizige Ziele gesetzt: die Privatfliegerei vom nahe gelegenen Frankfurter Flughafen möglichst zu übernehmen, die Kapazitäten in Egelsbach weiter auszubauen und die Verwertung der Flugplatz-Immobilien zu optimieren. Ruhig, beinahe familiär geht es an diesem Morgen auf dem Flugplatz zu. Die vier Helikopter der hessischen Polizei sind am Boden, und auch die dort stationierten Rettungshubschrauber sind nicht im Einsatz. Einzig die beiden Werbeflieger beschäftigen die Lotsen im Tower. Als er in Egelsbach anfing, habe die Anlage noch einer "Kleingartensiedlung geähnelt", sagt Lehmann. Noch heute ist das Areal mehrheitlich von flachen kleinen Gebäuden und Hallen geprägt. Blickfang ist bisher allein das Restaurant, dessen Architektur der legendären Ju 52 nachempfunden ist. Doch die Pläne für den Aus- und Umbau des Flugplatzes hat Lehmann längst parat. Egelsbach ist mit im Schnitt 80000 Flugbewegungen im Jahr der "Größte unter den Kleinen", sein Ausbau als Geschäftszentrum mit Büros, weiteren Lagerhallen und möglicherweise auch einem Hotel soll diese Position weiter festigen. Noch in diesem Jahr fließen 4 Millionen Euro in den Bau eines neuen Bürogebäudes. Bis Mitte 2004 sollen 2700 Quadratmeter neuer Bürofläche entstehen, derzeit verfügt der Flugplatz über etwa 4000 Quadratmeter. Ebenfalls in diesem Jahr entsteht eine neue Flugzeughalle, so dass dann 14.000 m² Quadratmeter Hallenfläche verfügbar sein werden. Zudem wird die Piste deutlich verlängert. Lehmann rechnet dafür mit Kosten in Höhe von 9,4 Millionen Euro. Eine Investition, die, so glaubt man in Egelsbach, sich bezahlt machen wird. "Die Sogwirkung, die von den steigenden Kapazitäten im Luftverkehr auf unsere anderen Geschäftsfelder ausgeht, haben wir noch unterschätzt", sagt der Geschäftsführer und verweist auf die wesentlichen Vorteile des Standorts: den Anschluss an das Autobahn- und Schnellstraßennetz des Rhein-Main-Gebiets sowie die Nähe zum internationalen Frankfurter Flughafen. Entsprechend sei die Nachfrage von Unternehmen der Luftfahrtbranche nach Büro- und Lagerflächen auf dem Gelände des Flugplatzes "exorbitant hoch". Zur Zeit expandieren nahezu alle Firmen, die am Platz ansässig sind. Heute erzielen nach Lehmanns Angaben die auf dem Flughafengelände angesiedelten Unternehmen einen Jahresumsatzes von ca. 60 Millionen Euro. Da käme es dem Geschäftsführer recht, wenn die Flugplatz GmbH ein benachbartes Grundstück erwerben und bebauen könnte. Doch das ist noch Verhandlungssache. Was sich in Egelsbach im kleinen abspielt, betreiben die Gesellschaften der internationalen Flughäfen im großen Maßstab. In Deutschland wie im Ausland hat die Immobilienbranche die Flughäfen entdeckt. Und das bei einem insgesamt daniederliegendem Markt. Ob Kopenhagen oder Düsseldorf, München, Madrid oder Wien - überall entstehen Hotels und Büros im Umfeld von Flughäfen. Waren es in der Vergangenheit, abgesehen von den Flughafenbetreibern selbst, vor allem die Fluggesellschaften, Reiseveranstalter, Speditionen, Versicherer und Kerosinhändler, die Flächen am Flughafen anmieteten, so zieht dieser zunehmend wichtige Verkehrspunkt auch Manager und Fachkr

äfte anderer Branchen an. Restaurants, Boutiquen, Apotheken, Supermärkte und Bürohäuser zählen längst, wenn auch i

n unterschi

edlichem Umfang, zur Ausstattung der großen Airports. Tertiäre Immobilien heißen sie im Branchenjargon. Anders als Start-, Landebahnen und Terminals (primäre Immobilien), aber auch Frachthallen und Reparaturwerften, Polizeistation und Post (sekundäre Immobilien) sind sie für den Flugverkehr entbehrlich. Als Vorbild dient die systematische Entwicklung des Amsterdamer Flughafens Schiphol seit dem Jahr 1979. In Europa zwar nur die Nummer vier nach London-Heathrow, Frankfurt und Paris-Roissy Charles de Gaulle, hat die Betreibergesellschaft den Ausbau urbaner Funktionen mit Läden, Boulevard und Airport-Kindergarten am konsequentesten umgesetzt. Schiphol steht für den Flughafen als moderne Stadt. Die dortigen zehn Bürogebäude mit insgesamt 200000 Quadratmeter Fläche zählen in der Immobilienbranche zu den teuersten und begehrtesten Europas. Im Schipholer World Trade Center, das als eines der erfolgreichsten Handelszentren seiner Art gilt, zahlen die Mieter Quadratmetermieten von monatlich 35 Euro. Warum ein Büro in Rollfeldnähe? Dierk Ernst, Geschäftsführer der Tercon Immobilien Projektentwicklungsgesellschaft mbH, beschreibt die Zielgruppe der Mieter so: "Wer heute innerhalb kurzer Zeit an mehreren Orten präsent sein muss, für den ist der Flughafen der ideale Standort." Ernst ist in Deutschland Pionier der Flughafen-Immobilienentwicklung. Sein erstes Projekt war der Bau des Frankfurt Airport Center Mitte der Achtzigen Jahre. Sechs Jahre später folgte mit dem Frankfurt Airport Center II ein weiteres Bürohaus am Terminal II des Rhein-Main-Flughafens. Wie es bei der Tercon-Muttergesellschaft, der IVG Immobilien AG, heißt, sei das im Besitz eines Siemens-Euroinvest-Fonds befindliche Haus komplett vermietet - zu Quadratmeterpreisen von rund 30 Euro. Eine Miete, wie sie nur an sehr guten Standorten zu erzielen ist. Auch in der Cargo City Süd, dem Fracht- und Logistikstandort am Frankfurter Flughafen, war und ist die Tercon als Projektentwicklerin aktiv. "Die Entwicklung der Cargo City Süd hat dazu beigetragen, Frankfurts Rolle als Europas größter Frachtflughafen weiter auszubauen", sagt Petra Rossbrey, die das Immobilienmanagement der Fraport AG leitet. Mehr als 80 Fluggesellschaften und etwa 100 Dienstleister haben sich nach ihren Angaben auf dem fast 50 Hektar großen Areal niedergelassen.

Die Entwicklung zum Immobilienstandort hat sich auch am Frankfurter Flughafen über Jahre vollzogen. Seit Mitte der achtziger Jahre betreibt die Fraport den Ausbau des sogenannten Non-aviation-Geschäfts, also jener Geschäftsfelder, die mit dem Flugverkehr selbst nichts mehr zu tun haben. Nach Angaben Rossbreys sind es vor allem die Läden, die einen immer bedeutenderen Anteil am Ertrag liefern. Nun soll das "Airrail Center" das Profil des Rhein-Main-Flughafens weiter schärfen. Die Lage des geplanten 500-Millionen-Euro-Baus direkt über dem ICE-Bahnhof am Flughafen könnte in Sachen Erreichbarkeit im europäischen Vergleich fürs erste unschlagbar sein. In der Region ist es zweifelsohne das derzeit größte und spektakulärste Bauprojekt. Auf 72000 Quadratmetern soll es Büros, Konferenzräume, Restaurants und Läden beherbergen und weiteren Parkraum bieten. Dazu ein Fünf-Sterne-Hotel mit 650 Zimmern. Ob der Bau tatsächlich 2006 seine Pforten öffnen wird, wie das Konsortium von IVG Immobilien/Tercon, Adler Real Estate und der Bilfinger+Berger Projektentwicklungs GmbH plant, hängt davon ab, ob der bisher einzige Ankermieter Le Meridien tatsächlich den Hotelbetrieb übernimmt. Le Meridien wurde von der Investmentbank Lehmann Brothers und dem Hotelkonzern Hyatt gekauft.