Darmstädter Echo
28.10.2003
Endlich ist hier wieder was los
Neuer Anziehungspunkt in der Fußgängerzone
Um 11.39 Uhr geht plötzlich das Licht aus. Stromausfall zum Auftakt. Das Gewusel verharrt, der Geräuschpegel geht runter. Nur ein Sektkorken knallt dort, wo die Macher die Eröffnung feiern. Dann wird es wieder hell.
"Das war nur eine Probe", versichert Peter Kolb von der Bauherrentroika BKS (Biskupek, Kolb, Scheinert) und lächelt entspannt "für die Notbeleuchtung."
Nicht nur sie funktioniert im LP 6 (Ludwigsplatz 6). Auch die Kassen klingeln zur Eröffnung des Elektroniksupermarkts Saturn und des Lebensmitteldiskounters Aldi im ehemaligen Quelle-Kaufhaus, dessen aufwendige Sanierung kurz vor dem Abschluss steht.
Aus dem vierstöckigen Gebäude, das drei Jahre lang brach lag, karren Schnäppchenjäger kistenweise Computer oder Brotbackmaschinen, schleppen Jung wie Alt haufenweise "Geiz ist geil"-Tüten voller CD-Rohlinge oder Zahnbürstenaufsätze nach Hause. Vor den Kassen Schlangen, Schlangen, Schlangen. Trubel.
Das freut das Unternehmerherz. "400 vorne, 200 hinten", bilanziert Saturn-Geschäftsführer Ulrich Krappe den Kunden-Andrang allein kurz vor der Eröffnung am Montagmorgen um 6 Uhr. "Wir hoffen, dass die Ware reicht."
50 000 Produkte beherberge der zweieinhalbstöckige Markt ? deutlich mehr als im ehemaligen Standort im Kaufhof. "Da haben sich die Herren BKS sehr viel Mühe gegeben, uns ein schönes neues Zuhause zu bereiten", sagt Krappe. Auch Kolb blickt sich zufrieden um: "Das war ein hartes Stück Arbeit, aber wir haben es hingebracht."
Zwei Frauen stehen davor und blicken mit ein bisschen Wehmut auf den modernen Bau mit Glasfassade. "Das ist so kalt, so fremd. Das ist nur zum Gelddrucken", befindet Ursula Sogalla, die dort arbeitete, als es noch das Quelle-Kaufhaus war.
"Wir haben uns da immer viel Mühe gegeben, das war unser Leben." Auch Ex-Kollegin Christa Koch denkt nostalgisch an eine andere Kaufhaus-Kultur zurück. "Aber mich freut's, dass es keine Baracke mehr ist", räumt sie ein. "Endlich ist hier wieder was los."
Stimmt. Der Ludwigsplatz ist ordentlich bevölkert. Und drinnen, im Getümmel, macht es den Anschein, als sei eine neue Tageszeitung auf den Markt gekommen ? doch was hier zig Leute aufmerksam im Stehen studieren, ist eine ECHO-Werbebeilage.
"Es ist unglaublich, was hier los ist", findet Barbara Steinhäuser. Sie hat ein schnurloses Telefon hierher verschlagen, das günstig angepriesen war. "Ich finde es schon gut, dass das hier wieder genutzt wird", sagt sie. "Schade ist nur, dass sich überall die großen Geschäfte breit machen und immer mehr Kleine schließen müssen."
Von der Ludwigsstraße aus fällt der Blick durch die Glasfassade ins Erdgeschoss, wo Kunden Portemonnaies zücken, Kassenbons entgegennehmen oder ihre Einkäufe in Tüten packen. Einkaufskino. Das entspricht dem Willen zur Transparenz, den die Bauherren bei diesem Objekt verfolgt haben.
Das honoriert auch Blumenverkäufer Kurt Müller, der seit 23 Jahren vor dem Haus seinen Stand hat: "Es wirkt größer, heller, freundlicher." Er freut sich über das Mehr an Bewegung um ihn herum. Ob das auch seine Kasse zum Klingeln bringen wird, sei allerdings noch fraglich: "Die Leute, die Pakete hier raustragen, haben keine Hand mehr frei für Blumen."
Dicht an dicht stehen die Leute auf den beiden Rolltreppen und schwappen durch die Eingangshalle. "Es ist gar nicht so schlimm, wie ich dachte", stellt jedoch eine Rentnerin aus Wixhausen fest, die mehr Andrang erwartet hat.
Sie kommt gerade aus dem Aldi, den sie in Zukunft häufiger besuchen wird, so zentral gelegen. "Man macht einen Rundgang durch die Stadt und schaut hier vorbei. Das ist ganz wunderbar, gerade für ältere Leute."
Ganz entzückt ist auch Klaus Kresbach, der das Konzept des neuen Hauses um den Faktor Gastronomie ergänzt. "Das wird hier der neue Magnet", ist der Darmstädter "Nachrichtentreff"-Wirt überzeugt.
Auch LP 6-Vermarkter Wolf-Dieter-Zorn glaubt, dass das Haus zum neuen Anziehungspunkt in der Fußgängerzone wird ? um so mehr, wenn im nächsten Sommer Tische und Stühle zum Draußensitzen einladen. Allerdings tangiert durch die Autos, die auf dem Weg vom oder zum Fina-Parkhaus dort vorbeikommen.
Im Parkhaus des LP 6 hört der Trubel lange nicht auf. "Ach, du liebes Bisschen", stöhnt ein Mann, der sein Billet bezahlen will und sich hinter ein Dutzend Leute einreihen muss. Einer der Kassenautomaten geht nicht. Wieder eine Probe? "Nein", sagt ein helfender Angestellter, "Stromausfall."
So geht's weiter: Noch ist ins LP 6 nicht gänzlich Leben eingekehrt. Am kommenden Montag (3.) soll das Café im Erdgeschoss seine vollverglasten Türen öffnen.
Am 14. November (Freitag) folgt der Rest des Gastronomiebetriebs im ersten Stock. Das Restaurant "Asia de Cuba" serviert dann asiatisch-lateinamerikanische Mischküche mit Blick auf die Fußgängerzone.
Nebenan soll eine Bar in den Tanzklub führen. Sein Name: "LP 6". Dort kümmert sich der Darmstädter Discjockey Peter Gräber um die Musikbeschallung (bis 4 Uhr morgens). Unter anderem geplant sind Karaoke am Montag, Salsa und Merengue am Dienstag, Afterwork-Party am Donnerstag und "Gay and Friends" am Sonntag.
Der Wellness-Bereich im obersten Stock soll im Januar, Sport-Hübner im Erdgeschoss rechts im Februar eröffnen.